Bild_Therapiearten
© qimono / Pixabay

Hat man sich ein paar Psychotherapeuten herausgesucht, wird man eine große und zu Beginn vielleicht etwas verwirrende Vielfalt an Therapierichtungen feststellen. So unterschiedlich die Namen, so unterschiedlich auch die Herangehensweise an die Phobie. Darum hier eine Liste an Therapieformen mit ihren jeweiligen Besonderheiten, Vor- und Nachteilen:

 

Verhaltenstherapie (kassenfinanziert)

Die Verhaltenstherapie fokussiert sich auf die funktionalen Aspekte der Angst. Das heißt, es wird vorrangig daran gearbeitet, Vermeidungsverhalten abzubauen, Beeinträchtigungen durch die Phobie zu verringern und neue, förderliche Verhaltensmuster zu entwickeln. Die Behandlung eines Emetophobikers, der aus Angst vor dem plötzlichen Erbrechen den Gang zum Supermarkt meidet, würde so z. B. darauf hinarbeiten, den Phobiker unter Anleitung und Begleitung durch den Therapeuten wieder an das Einkaufen heranzuführen. Dabei können unterschiedliche Verfahren zum Einsatz kommen. Beispielhaft sind hier schrittweise Konfrontationsübungen, die bei einem einzigen Schritt über die jahrelang nicht überquerte Türschwelle beginnen und über die kurze Besorgung beim Tante-Emma-Laden um die Ecke bis hin zum Wocheneinkauf mit dem Auto im Einkaufszentrum als Abschlussaufgabe am Ende einer erfolgreichen Therapie reichen können.

Wer nun Angst vor diesen Situationen bekommt oder resigniert mit den Schultern zuckt, da solche Ziele momentan noch in weiter Ferne scheinen, wird eventuell neuen Mut schöpfen können: Verhaltenstherapien sind die mit Abstand erfolgreichste Therapiemethode in der Behandlung von Phobien!

Verhaltenstherapeuten behandeln die Angst nicht isoliert, sondern eingebettet in die Lebenswelt des Phobikers. Vorgeschichte, Lebenssituation, Familie und Hintergründe werden ebenfalls analysiert und in die Behandlung mit einbezogen.

 

Systemische Therapie

Die Systemische Therapie ist eine noch junge Therapieform, die in Deutschland erst seit 2008 zugelassen ist. Sie setzt den Fokus auf den sozialen Lebensraum, womit, wie der Name andeutet, die sozialen Systeme in denen sich der Phobiker aufhält, gemeint sind.

Diese sozialen Systeme können z. B. Familien, Organisationen oder enge Freundesgruppen sein.Hierbei wird von der Annahme ausgegangen, dass psychische Störungen des Ratsuchenden aus Problemen im ihn umgebenden System entstehen; er wird also als Stellvertreter dieses (belasteten) Systems angesehen, was eine Verbesserung der psychischen Situation eng an die Verbesserung der Situation im System koppelt. Der Betroffene ist jedoch dem System nicht hilflos ausgeliefert, sondern erlernt im Rahmen der Therapie Maßnahmen, mit denen er durch Veränderungen im eigenen Erleben und Verhalten Verbesserungen erzielen kann. Diese wirken sich auch auf das System aus, so dass der negativen Entwicklung, die in unserem Fall zur Phobie geführt hat, entgegengewirkt werden kann.

Verfahren in der Systemischen Therapie unterscheiden sich von anderen z. B. darin, dass einzelne Therapiesitzungen nicht unbedingt zeitnah gelegt werden. Dem Ratsuchenden werden viele Freiräume gelassen, die in den Sitzungen mit dem Therapeuten erarbeiteten Lösungsansätze auf eigene Faust im Alltag umzusetzen.

Die Systemische Therapie hat sich sowohl hinsichtlich kurzfristiger als auch langfristiger Veränderungen als erfolgreich erwiesen. Für stark eingeschränkte Phobiker kann sich dieser Ansatz jedoch als Sackgasse erweisen. Der Therapeut begleitet zwar, hält sich aber mit konkreter Unterstützung eher zurück, indem er stärker auf die Eigeninitiative des Klienten baut. Es ist insofern eine Methode, die sich vor allem an Personen richtet, die sich selbst gut aktivieren können.

Vorteilhaft ist der starke Einbezug der Angehörigen – gerade bei gespannten oder schwierigen Familiensituationen eignet sich dieser Ansatz, um „über die Emetophobie hinaus“ an der Gesamtsituation zu arbeiten.

Als weitere Anmerkung ist hinzuzufügen, dass zwar die Wirksamkeit der Systemischen Therapie erwiesen ist, aber, anders als in anderen Therapierichtungen, bisher noch keine einheitliche Theorie darüber vorliegt, warum sie wirkt.

 

Tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie (Kassenfinanziert)

Dies ist ein Oberbegriff für alle Therapierichtungen, die sich mit dem Unbewussten befassen. Davon bei der Therapeutensuche als wichtig anzusehende (da verbreitete) Richtungen sind die Psychoanalyse und die Psychodynamik, die im weiteren Verlauf beschrieben werden:

 

    • Psychoanalyse (kassenfinanziert): Die Psychoanalyse geht auf den wohl unter Laien bekanntesten Psychologen zurück: Sigmund Freud. Seit Freuds Zeiten hat sich einiges auf dem Gebiet der Psychoanalyse getan, die Grundzüge sind jedoch gleich geblieben:
      Es wird im Verhalten und Erleben des Ratsuchenden nach Zeichen des Unterbewusstseins gesucht. Dieses kann sich laut Psychoanalyse auf verschiedene Weisen mitteilen – Techniken, um mit dem Unbewussten in Kontakt zu treten, sind z. B. Traumanalyse und die freie Assoziation, bei der der Klient einfach sagt, was ihm gerade durch den Kopf geht, egal, wie zusammenhangslos oder unwichtig es ihm erscheinen mag. Der Therapeut begibt sich hier in eine eher passive, den Mitteilungsprozess des Klienten fördernde Position, hört zu und bietet im späteren Verlauf eine psychoanalytische Deutung des Gesagten.Als Emetophobiker zu beachten ist, dass Arbeit an den Symptomen im Sinne von Verhaltensübungen nicht oder kaum stattfindet. Es wird in erster Linie nach (unbewussten) Ursachen für die Phobie gesucht. Für die Psychoanalyse charakteristisch sind die kurzen Zeitabstände, zwischen denen die Therapiesitzungen stattfinden. In der Regel finden 2-5 Termine pro Woche statt, was bei der Wahl einer Therapierichtung sicherlich ebenfalls eine Rolle spielt.

 

    • Psychodynamik: Die Psychodynamik ist eng mit der Psychoanalyse verbunden, daher gilt unter diesem Abschnitt Geschriebenes auch für die Psychodynamik. Im Zentrum steht ebenfalls die Aufdeckung verdrängter Konflikte, die nicht unbedingt sexueller Natur sein müssen. Da nach der Psychodynamik die Konflikte ursächlich für die phobische Störung sind, wird in der Regel auch nur an diesen angesetzt. Dies bedeutet, dass es keine oder nur wenige Anleitungen für den Umgang mit den Einschränkungen durch die Phobie im Alltag gibt. Diese Symptome werden eher als Äußerungen des Unbewussten angesehen, die nach Auflösung des Konfliktes nicht mehr „nötig“ sind und daher eingestellt werden.

 

Die genannten Verfahren sind die am häufigsten anzutreffenden Therapierichtungen. Es gibt unter den beschriebenen Hauptrichtungen viele Verzweigungen und Abwandlungen, nicht zuletzt unterliegt auch die Psychotherapiepraxis einem stetigen Wandel.

Neue Methoden werden erforscht und werden, wenn sie sich als wirksam erwiesen haben, in den Werkzeugkasten des Therapeuten aufgenommen. Wieder andere können sich als überholt herausstellen und werden durch modernere ersetzt. Dies alles kann natürlich nur geschehen, wenn der jeweilige Therapeut „am Puls der Zeit“ bleibt, sich weiterbildet und neuen Erkenntnissen gegenüber aufgeschlossen ist. Die Berufsordnung der Psychotherapeuten sieht, ähnlich wie bei den Ärzten, eine Verpflichtung zur regelmäßigen Weiterbildung und eine Qualitätssicherung vor, um dies gewährleisten zu können.